Grundsatz- und Glaubensfragen Eindeutig Stellung beziehen

Der Entwurf für das Parteiprogramm der LINKEN enthält eine ganze Reihe von Passagen, die aus meiner Sicht gern überarbeitet werden können, bevor aus dem Entwurf ein Programm wird. Hier möchte ich mich zu zwei Punkten äußern. Dabei bin ich in einem Fall der Auffassung, dass der Entwurf im Kern möglichst unverändert bleiben sollte:

Unter der Überschrift Frieden in Solidarität statt terroristische Kriege heißt es erfrischend eindeutig: "Für DIE LINKE ist Krieg kein Mittel der Politik." Ungeachtet der Überschrift, die der Komplexität der im folgenden Absatz angesprochenen Fragen sicher nicht vollständig gerecht wird, erscheint es heute notwendiger denn je, dass sich DIE LINKE in der Friedensfrage klar und unmissverständlich positioniert. Denn während die Forderung nach einem sofortigen "Ende aller Kampfeinsätze der Bundeswehr" innerhalb der Partei weitgehend unstrittig sein dürfte, ist spätestens bei der jüngsten UNMIS-Abstimmung mit 25 Enthaltungen aus der  Linksfraktion im Bundestag  deutlich geworden, dass das Nein"der LINKEN zu einer deutschen Beteiligung an Militäreinsätzen nach Kapitel VII der UN-Charta nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann.

Soweit diese Entahltungen damit begründet werden, dass durch derartige Blauhelm-Einsätze im Einzelfall größeres Leid vermieden werden kann, ist dies als persönliche Motivation jedes einzelnen Abgeordneten zu respektieren; richtig wird diese Entscheidung dadurch nicht. Wer den Einsatz militärischer Mittel zwar im Prinzip ablehnt, aber unter bestimmten Umständen, ausnahmsweise, im Einzelfall oder als ultima ratio zulässt und die dafür erforderlichen Bedingungen nach Möglichkeit schon im Vorfeld zu definieren versucht, der hat sich innerlich bereits vom Prinzip verabschiedet, auch wenn er selbst sich dies vielleicht nicht eingestehen mag. Aber was ist mir ein Prinzip wert, wenn ich mir schon vorher überlege, wann ich es nicht beachte?

Die Frage, ob man militärische Gewalt als Mittel zur Lösung von Konflikten akzeptiert, ist von derart grundsätzlicher Bedeutung, dass sie einer grundsätzlichen Beantwortung bedarf. Und während Sozialdemokraten und Grünen für die Zustimmung zu Militäreinsätzen mit dem Etikett regierungsfähig versehen wurden, hatte DIE LINKE derartigen Versuchungen bisher stets widerstanden und sich bereits in den programmatischen Eckpunkten eindeutig als die deutsche Antikriegspartei positioniert und den Einsatz der Bundeswehr auch für internationale Militäreinsätze im Auftrag nach Kapitel VII der UN-Charta abgelehnt. Hierbei sollten wir bleiben - nicht nur, weil dieses Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Parteienlandschaft eine wesentliche Grundlage für die Existenz und den Erfolg der LINKEN ausmacht, sondern auch, weil Mahatma Gandhi recht hatte: Es gibt keinen Weg zum Frieden - der Frieden ist der Weg.

Dem Thema Kirchen und Religionsgemeinschaften ist im Programmentwurf nur ein kleiner Absatz gewidmet - aber zwei wichtige Grundsätze sind darin zu finden:

1. DIE LINKE achtet die Kirchen und Religionsgemeinschaften und setzt sich für Religionsfreiheit ein. Diese Aussage ist insofern wichtig, als auch in unserem Parteiprogramm deutlich werden sollte, dass wir uns als Rechtsnachfolgerin der SED unserer Verantwortung stellen, die Lehren aus dem in der DDR begangenen Unrecht gegenüber Gläubigen und Kirchen gezogen haben und als LINKE heute längst nicht mehr für Kirchenfeindlichkeit stehen.

2. DIE LINKE steht für die Trennung von Staat und Kirche. Auch dieser Punkt gehört ins Programm. Was aber genau bedeutet diese Trennung? Der Entwurf beschränkt sich auf den Religionsunterricht: An den Schulen sollen der Ethik- und Religionsunterricht der Wissensvermittlung über Religionen dienen und die wechselseitige Toleranz der Glaubensgemeinschaften fördern. Das klingt schön und ist sicher richtig, sagt aber nichts dazu, ob wir schulischen Religionsunterricht als Pflichtfach zulassen wollen oder nicht. Hier sollten wir uns klar positionieren: Wir wollen einen für alle Schüler verpflichtenden Ethikunterricht und Religionsunterricht als freiwilliges, zusätzliches Wahlfach. Nur das wird der Trennung von Staat und Kirche wirklich gerecht.

Ansonsten fehlen im Entwurf konkrete Aussagen zur Trennung von Staat und Kirche. Dabei wird dieses Prinzip in der bundesdeutschen Wirklichkeit in vielfacher Weise durchbrochen: Vom staatlichen Einzug der religiösen Mitgliedsbeiträge als Kirchensteuer über die staatlichen Entschädigungszahlungen an die Kirchen - die sogenannten Staatsleistungen - bis zur religiösen Vereidigungsformel für Richter und Beamte.

Die konsequenteste Form der Trennung von Staat und Kirche ist der Laizismus. In einem laizistischen Staat aber dürfte Gott nicht in der Präambel des Grundgesetzes zu finden sein. Der Staat dürfte Geistliche nicht mit beamtenrechtlichen Sonderprivilegien ausstatten und er müsste endlich seinem Verfassungsauftrag nachkommen und die Staatsleistungen an die Kirchen ablösen. Er müsste dafür Sorge tragen, dass in öffentlichen Gebäuden keine Kruzifixe an den Wänden hängen und er dürfte Religionsgemeinschaften im Strafgesetzbuch nicht gesondert vor Beschimpfung schützen, sondern müsste § 166 StGB ersatzlos streichen.

Während die meisten anderen Parteien diese Durchbrechungen tolerieren oder sogar fördern, sollten wir auch hier klar und eindeutig Stellung beziehen: Die LINKE ist die Partei, die für einen laizistischen Staat eintritt. Dabei schließen sich eine konsequente Trennung von Staat und Kirche und die Achtung aller Religionen keineswegs aus, im Gegenteil. Denn erst, wenn sich der Staat aus dem sehr privaten Glaubensbereich heraus hält und jede Glaubensrichtung sowie den Nichtglauben gleichermaßen anerkennt, kann Religionsfreiheit Wirklichkeit werden. Der indische Poet und Nobelpreisträger Rabindranath Tagore hat es treffend ausgerückt: Es ist mir möglich, Gott zu lieben, weil er mir die Freiheit lässt, ihn zu verleugnen. Ich glaube, dass die Kirchen selbst davon profitieren würden: Hat doch das Bekenntnis zu Gott viel mehr Tiefe, wenn es freiwillig ist.