Persönliche Erklärung zum Abstimmungsverhalten nach § 31 GO BT zu Anträgen zum NPD-Verbot

Persönliche Erklärung nach § 31 GO BT zu dem Antrag der SPD und dem Antrag der LINKEN auf Entscheidung des Deutschen Bundestages über die Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ gemäß Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes i.V.m. §§ 13 Nummer 2, 43ff des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes, Drucksache 17/13227 (und Drucksache 17/13231)

Persönliche Erklärung nach § 31 GO BT zu dem Antrag der SPD und dem Antrag der LINKEN auf Entscheidung des Deutschen Bundestages über die Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ gemäß Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes i.V.m. §§ 13 Nummer 2, 43ff des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes, Drucksache 17/13227 (und Drucksache 17/13231)

Die SPD und DIE LINKE im Bundestag haben beantragt, dass der Deutsche Bundestag beim Bundesverfassungsgericht ein Verfahren zum Verbot der NPD einleitet.

Die Forderung eines Verbots der NPD entspricht dem Parteiprogramm der Partei DIE LINKE. Dort heißt es: „Wir fordern das Verbot aller Organisationen der extremen Rechten; dabei sind wir uns bewusst, dass ein Verbot die gesellschaftliche Auseinandersetzung nicht ersetzt.“

Die NPD ist meines Erachtens zweifellos eine Organisation der extremen Rechten. Um die notwendige gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dieser extremen Rechten zu führen, habe ich mich in der Vergangenheit an zahlreichen Demonstrationen und Kundgebungen gegen Naziaufmärsche beteiligt, mich in entsprechenden Bündnissen engagiert, deren Aktivitäten unterstützt und mich in politischen Gremien gegen alle Formen des Faschismus, Rechtspopulismus und Rassismus eingesetzt. Ich werde dies auch zukünftig tun.

Eine abstrakte programmatische Forderung ist als alleinige Grundlage für die Beantragung eines Parteienverbots jedoch nicht ausreichend. Zu ihrer Umsetzung sind sowohl die konkreten Erfolgsaussichten eines entsprechenden Verbotsantrags als auch die möglichen Folgen bei einem Scheitern des Antrags realistisch einzuschätzen.

Das Scheitern des im Jahr 2001 von der damaligen Bundesregierung eingeleiteten und vom Bundesrat sowie dem Bundestag unterstützten Verbotsverfahrens führte zu einer Aufwertung und Stärkung der NPD und somit zum Gegenteil des von den Verfahrensbeteiligten verfolgten Ziels. Ein erneutes Scheitern würde diesen negativen Effekt noch einmal - absehbar nachhaltig - verstärken. Wer jetzt auf eine gründliche Prüfung und Abwägung verzichtet, riskiert, das Gegenteil des Gewünschten zu erreichen: Statt einem Verbot der NPD deren Stärkung.

Ursache für das Scheitern des ersten Verbotsverfahrens im Jahr 2003 war vor allem, dass die Führungsstrukturen der NPD mit V-Leuten der Verfassungsschutzämter durchsetzt waren. Um dies für ein erneutes Verfahren auszuschließen, hatte der Bundesminister des Inneren die Innenminister und -senatoren der Länder gebeten, die „V-Mann-Freiheit“ der für das Verfahren zusammen getragenen Materialien zu testieren. Dieses Testat wurde nicht erteilt, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der entscheidende Grund für das Scheitern des ersten Verfahrens beseitigt worden ist.

Ausweislich der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion  DIE LINKE (Drucksache 17/12019) haben die Innenminister und  -senatoren der Länder sowie das Bundesministerium des Inneren beschlossen, zum 2. April 2012 die Quellen auf Führungsebene der NPD abzuschalten. Die Materialsammlung bezieht sich jedoch in nicht unerheblichem Umfang auf Belege und Zitate aus einem Zeitraum vor dem 2. April 2012, so dass auch in dieser Hinsicht fraglich ist, inwieweit das zusammen getragene Material im Verfahren belastbar verwertet werden kann.

Im Rahmen der Erfolgsaussichten eines Verbotsantrags ist darüberhinaus die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu berücksichtigen. Danach ist ein Parteienverbot nur dann zulässig, wenn hierfür ein „dringendes soziales Bedürfnis“ besteht. Um dies zu bejahen, muss u.a. ein unmittelbar bevorstehendes Risiko für die Demokratie vorliegen.

Angesichts des derzeitigen Zustandes der NPD ist dies offensichtlich nicht der Fall. Sofern nicht bereits das Bundesverfassungsgericht den Verbotsantrag ablehnt, ist damit zu rechnen, dass der EGMR das Verbot aufhebt. Die damit verbundenen rechtlichen Konsequenzen für die Bundesrepublik Deutschland wären zumindest unerfreulich, die politischen Folgen wären verheerend.

Schließlich hat es weder im Innen- noch im Rechtsausschuss eine seriöse Befassung mit der Materialsammlung und ihrer Ergänzung gegeben, wie es die SPD noch in ihrem Antrag auf Drucksache 17/12168 gefordert hatte. Dem Rechtsausschuss wurde die Materialsammlung nicht einmal offiziell zugeleitet. Eine Entscheidung über einen Beitritt zum Verbotsverfahren setzt aber zwingend eine seriöse Befassung mit dem vorgelegten Material voraus.

Vor diesem Hintergrund halte ich den Beitritt zu einem Verbotsverfahren zum gegenwärtigen Zeitpunkt für unverantwortlich. Ich habe deshalb bei beiden Anträgen mit Nein gestimmt.

Zugestimmt habe ich demgegenüber dem Antrag von Bündnis 90/ DIE GRÜNEN auf der Drucksache 17/13240. In diesem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, in Zusammenarbeit mit den Ländern verschiedene Maßnahmen für die Bekämpfung des Rechtsextremismus zu ergreifen. Der Antrag nimmt die Bedenken hinsichtlich der Erfolgsaussichten und die Kritik hinsichtlich des Verfahrens zur Bewertung der Materialsammlung auf. Die Forderungen im Antrag gehen in die richtige Richtung, auch wenn sie aus meiner Sicht nicht ausreichend sind. Tatsächlich ist nicht nur ein Moratorium für den Einsatz von V-Leuten nötig, sondern der konsequente Verzicht auf diese. Der Verfassungsschutz ist nicht nur „in seiner derzeitigen Form aufzulösen“. Geheimdienste, zu denen auch der Verfassungsschutz gehört, sind abzuschaffen.