Wirtschaftskriminalität glaubwürdig bekämpfen
Der Bundestag debattierte heute einen Antrag der SPD-Fraktion zum Thema Wirtschaftskriminalität. Für die Linksfraktion sprach Raju Sharma, der in seiner Rede nicht nur darauf verwies, dass Wirtschaftskriminalität insbesondere unserer sozialen Infrastruktur schadet, sondern auch sinnvolle Maßnahmen zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität aufzeigte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Keine Sorge, ich werde Sie hier nicht überfordern. - Im SPD-Antrag wird ein schwerwiegendes Problem angesprochen. Durch Finanz- und Wirtschaftskriminalität entstehen für die Wirtschaft und den Staat jährlich finanzielle Schäden in Milliardenhöhe. Je nach Erfassungskriterien und Berechnungsgrundlagen sprechen manche von 4 Milliarden Euro, andere von 50 Milliarden Euro. Leidtragende sind nicht nur die Unternehmen, sondern vor allem auch die Bürgerinnen und Bürger. Wirtschaftskriminalität und Korruption verhindern Einnahmen für die öffentlichen Haushalte und schaden somit direkt unserer sozialen Infrastruktur.
(Beifall bei der LINKEN)
Die traurige Konsequenz ist, dass im sozialen Bereich oder auch bei Kultur- und Bildungsangeboten gekürzt wird. Deshalb ist es gut, dass dieses Thema heute aufgeworfen wird, und es ist gut, dass dieser Antrag vorliegt. Da müssen wir tatsächlich etwas machen.
(Beifall bei der LINKEN)
Nun hat die SPD den Bogen möglicher Maßnahmen zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität weit gespannt: von Verbesserungen im Strafrecht und Maßnahmen zur Erhöhung der Verfahrenseffizienz bis hin zu Strategien zur Bekämpfung von Cybercrime oder Wirtschaftsspionage. Wir begrüßen es, dass die SPD hier Initiative zeigt. Dem Kernproblem im Zusammenhang mit der Erhellung des Dunkelfelds wird man mit diesem Antrag und seinen Maßnahmen jedoch nicht beikommen können.
Meine Vorredner haben schon viel gesagt. Deshalb will ich mich hier nur auf drei konkrete Aspekte beschränken: Erstens. Was Whistleblower betrifft, sind wir uns mit der SPD anscheinend einig. Die Linke hat dazu bereits im Jahr 2011 einen Antrag in den Bundestag eingebracht. In diesem Antrag ging es vor allem darum, die Whistleblower vom Ruch des Denunziantentums zu befreien. Denn wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter illegale Praktiken ihrer Unternehmen bemerken und den Mut haben, diese aufzudecken, dann verdient das Anerkennung und Respekt.
(Beifall bei der LINKEN)
Niemand, kein Staat und kein privater Unternehmer, hat das Recht, Loyalität einzufordern, wenn er sich selbst strafbar macht und sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichert.
(Beifall bei der LINKEN)
Es ist schön, dass sich die SPD in ihrem Antrag dazu bekennt. Allerdings stellt sich dann auch die Frage: Warum konnten Sie unserem Antrag damals nicht zustimmen? So sieht das tatsächlich wie ein billiges Wahlkampfmanöver aus.
(Beifall bei der LINKEN)
Sei es drum; das ist jetzt vergossene Milch. Aber ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Die Linke wird Sie bis zum 22. September dieses Jahres und darüber hinaus an Ihren jetzt vorliegenden Antrag erinnern und auch daran messen.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweitens. Wir unterstützen ausdrücklich die Forderung nach einer engeren Zusammenarbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Finanzbehörden. Ich habe in meiner Zeit beim Landesrechnungshof in Schleswig-Holstein im Rahmen einer Querschnittsprüfung die unterschiedliche Praxis der Behörden untersucht. Das Ergebnis war eindeutig: Überall dort, wo sich Polizei, Staatsanwaltschaften und Finanzbehörden intensiv abgestimmt haben, sich über Ermittlungsstrategien verständig haben und am besten sogar in denselben Räumlichkeiten zusammengearbeitet haben, wurden bessere Ergebnisse bei der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität erzielt. Einige Länder haben diese Erkenntnisse in die Praxis umgesetzt. Deswegen ist es richtig, dass die SPD dies in ihrem Antrag als vorbildlich darstellt.
(Beifall bei der LINKEN)
Dieselben Überlegungen gelten aber nicht nur für die Landesebene; sie gelten auch für die Bundesebene. Auch hier brauchen wir ressortübergreifende Konzepte zur Vorbeugung, Ermittlung und Strafverfolgung im Hinblick auf Wirtschaftskriminalität. Wir haben in der Vergangenheit oft genug erleben müssen, dass die aktuellen Instrumente zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität beim BKA, bei der Bundespolizei und beim Zoll der Entwicklung und den jetzigen Herausforderungen nicht mehr gewachsen sind. Genau das ist der Grund, warum die Linke die Schaffung einer Bundesfinanzpolizei vorgeschlagen hat. Ich fordere Sie alle auf: Gehen Sie diesen Weg mit uns gemeinsam, und unterstützen Sie unseren Antrag!
(Beifall bei der LINKEN)
Drittens. Eine engere Zusammenarbeit der Behörden ist nicht alles. Wenn wir wirklich Waffengleichheit mit den Wirtschaftskriminellen herstellen wollen, dann müssen wir Polizei, Staatsanwaltschaft und Finanzbehörden nicht nur organisatorisch, sondern auch personell und technisch besser ausstatten. Jeder Euro, den Sie hier investieren, ist gut angelegt und zahlt sich mehrfach wieder aus.
(Beifall bei der LINKEN)
Dazu gehört auch ein Umdenken. Es gibt Landesfürsten, die beispielsweise eine schlechte Ausstattung der Steuerfahndung als Standortvorteil ansehen. In Hessen eskalierte das bis hin zu dem bekannten Fall der Ausschaltung einer hochkompetenten Steuerfahndungsgruppe unter fadenscheinigen Vorwänden. Ich bin sicher, in den Hochhäusern der Banken wird man sich damals vor Lachen die Bäuche gehalten haben. Ich wünschte mir, in den Reihen der Union würde man Wirtschaftskriminelle eher ins Visier nehmen als harmlose Kiffer, Sprayer oder Schwarzfahrer. Auch da ist ein Umdenken nötig.
(Beifall bei der LINKEN)
Zu guter Letzt noch ein Wort in eigener Sache. Wenn wir hier im Bundestag über Korruptionsbekämpfung diskutieren, müssen wir auch vor unserer eigenen Haustür kehren. Noch immer ist die Abgeordnetenbestechung in Deutschland nicht strafbar, und noch immer kann deshalb die UN-Konvention gegen Korruption in Deutschland nicht ratifiziert werden. Ich weiß, dass Sie von der Koalition davon nichts mehr hören wollen; aber Sie müssen damit leben, bis Sie endlich Ihre Blockadehaltung aufgeben. Bis dahin wird die Linke Ihnen das bei jeder passenden Gelegenheit immer wieder aufs Butterbrot schmieren.
(Beifall bei der LINKEN)
Nachdem Sie die Gesetzentwürfe der Oppositionsfraktionen wir hatten drei davon abgelehnt haben, liegt nun ein gemeinsamer Gesetzentwurf von Abgeordneten von CDU, SPD, Grünen und Linken vor.
(Jörg van Essen (FDP): Eines CDU-Abgeordneten!)
Es ist ein Gesetzentwurf, der einen Kompromiss darstellt und der von unabhängigen Organisationen wie Transparency International unterstützt wird. Ich bitte Sie alle, auch Sie von der FDP und der CDU/CSU: Geben Sie sich endlich einen Ruck! Es ist erbärmlich, dass wir in Deutschland immer noch darüber reden, ob wir die Abgeordnetenbestechung unter Strafe stellen. Es wird höchste Zeit, dass wir darüber reden, wie wir sie unter Strafe stellen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)