Dritter Weg. Irrweg! Ausweg!

Am gestrigen Abend fand die Podiumsdiskussion "Dritter Weg. Irrweg! Ausweg? Der Dritte Weg der Kirchen im Arbeitsrecht auf dem Prüfstand" in der Zwingli-Kirche in Berlin-Friedrichshain statt. Ein Bericht zu der Veranstaltung ist hier zu finden.

Am gestrigen Abend wurde in der Zwingli-Kirche in Berlin-Friedrichshain das Sonderarbeitsrecht der Kirchen als Arbeitgeber, der sogenannte „Dritte Weg“, zur Diskussion gestellt: Unter dem Titel „Dritter Weg. Irrweg! Ausweg?“ diskutierten Beschäftigte gemeinsam mit Arbeitgebern und interessierten Bürgern über Gegenwart und Zukunft des kirchlichen Sonderarbeitsrecht. Auf dem Podium saßen drei Experten, die sich nicht nur durch ihre langjährige berufliche Erfahrung in kirchlichen Einrichtungen sondern vor allem durch ihr Engagement für die Rechte von Beschäftigten in Kirchen und kirchlichen Einrichtungen auszeichnen.

Zu Beginn der Diskussion gewährte Stephan Karus den Anwesenden einen persönlichen Eindruck in seine Lebens- und Leidensgeschichte: Die Diözese kündigte ihm 2009 fristlos, nachdem bekannt wurde, dass er nach der Trennung von seiner Ehefrau ein Kind mit einer neuen Partnerin bekommen hatte. Der Kündigungsgrund war ‚Ehebruch‘ – angesichts seiner Anstellung als Religionspädagoge galt sein ‚Ehebruch‘ sogar als schwerwiegender Loyalitätsverstoß. Karus‘ Schicksal sei kein Einzelfall. Im verkündungsnahen Bereich, also bei Priestern oder Religionspädagogen, gäbe es einige solcher Fälle – doch die Betroffenen sprechen nicht darüber.

In den diakonischen Einrichtungen hingegen erlangen solche Schicksale vermehrt Aufmerksamkeit und rücken somit die Beschäftigungsverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit. Hier nehmen prekäre Arbeitsbedingungen zu, berichtet Berno Schuckart-Witsch, Projektsekretär bei ver. di für die Diakonie: Ausgründungen, Lohndumping und befristete Arbeitsverträge gehören zur Beschäftigungsrealität. Darunter leiden insbesondere Frauen, da sie zu 80 Prozent im unteren Lohnbereich arbeiten. Die Belastung der Beschäftigten steige und trotzdem sind für über 450.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Tarifverträge kaum in Sicht. Laut Berno Schuckart-Witsch verschaffen sich kirchliche Unternehmen wie die Diakonie mit ihrem Sonderarbeitsrecht einen Wettbewerbsvorteil auf dem Arbeitsmarkt gegenüber anderen Dienstleistern im Sozialbereich, die sich an die üblichen Gesetze halten müssen.

So sieht es auch Wolfgang Lindenmaier, Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Diakonischen Werk Württemberg, der viele Jahre mit den Beschäftigten in Württemberg für eine bessere Bezahlung gestritten hatte. Für ihn gehöre auch Streik zu einem wichtigen Arbeitskampfmittel. Auf die Frage wie sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angesichts des Streikverbot für Beschäftigte in kirchlichen Einrichtung verhalten und ob Gott überhaupt bestreikt werden dürfte, bekräftigte Lindenmaier, dass bei dem Kampf um bessere Arbeitsbedingungen nicht Gott bestreikt wird sondern die weltlichen Unternehmen. Streik sei also ein legitimes Mittel und würde dementsprechend auch angewendet werden – trotz Verbot und der jüngsten Urteile, die das Streikverbot weiterhin rechtfertigen. Unterstützung in ihrem Kampf um das Streikrecht erhalten die Beschäftigten dabei von den Gewerkschaften. „Wenn es sein muss, dann ziehen wir bis vor das Bundesverfassungsgericht“, erklärte ver.di-Gewerkschaftler Schuckart-Witsch.

Die Rechte und Möglichkeiten der Mitarbeitervertretungen seien weiterhin massiv eingeschränkt. Wolfgang Lindenmaier und Stephan Karus, die selber jahrelang in Mitarbeitervertretungen aktiv sind bzw. waren, sehen die Mitarbeitervertretungen strukturell benachteiligt. Einerseits weißt die Repräsentanz der Arbeitnehmerseite Probleme auf: So besteht die Kirche auf die Kirchenmitgliedschaft für Angehörige der Mitarbeitervertretungen von diakonischen Einrichtungen. Eine Mitgliedschaft, die sie aber für die Arbeit selbst nicht fordert. Wolfgang Lindemaier bringt es auf den Punkt: „Eine nicht christliche Putzfrau darf den evangelischen Dreck wegräumen – ihre persönlichen Interessen aber nicht in der Mitarbeitervertretung vertreten.“ Andererseits könne man in den paritätisch besetzten Arbeitsrechtlichen Kommissionen, in denen die Mitarbeiter gemeinsam mit den Arbeitgebern die Arbeitsverhältnisse aushandeln, nicht von einer wirklichen Parität sprechen, schließlich sitzen hier abhängig Beschäftigte ihren Arbeitgebern gegenüber. Auf gleicher Augenhöhe befinde man sich so sicherlich nicht. Zudem werden Mitarbeitervertretungen aus den Kommissionen und somit von ihrer Mitbestimmung ausgeschlossen, die in externe Tarifverhandlungen, beispielsweise mit Gewerkschaften, treten.

Trotzdem lassen sich engagierte Mitarbeiter wie Wolfgang Lindenmaier nicht davon abbringen, weiterhin für die Durchsetzung von einheitlichen Tarifverträgen für Beschäftigte in kirchlichen Einrichtungen zu streiten. Die Diskutanten sind sich einig: Der Dritte Weg ist am Ende und es ist an der Zeit, einen gemeinsamen Ausweg zu finden: Die Einführung eines bundesweit flächendeckenden und allgemeinverbindlichen Tarifvertrages wäre hierbei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Es gibt bereits Tarifverträge, die auf allgemeine Zustimmung stoßen – ein flächendeckender Tarifvertrag müsse sich dann an diesen positiven Beispielen orientieren.

In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum, unter dem auch zahlreiche Vertreter der Arbeitgeberseite vertreten waren, plädierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für eine gemeinsame Lösung. Alle Beteiligten müssen an einen Tisch geholt werden. Teil dieser Verhandlungen müsse auch eine Diskussion über den Stellenwert sozialer Arbeit sein. Man müsse den gesellschaftlichen Wert sozialer Arbeit endlich anerkennen und auf Grundlage dessen über die Arbeitsbedingungen jener diskutieren, die täglich in Pflegeeinrichtungen und Kindergärten einen wichtigen Beitrag für unser soziales Zusammenleben leisten. Dieser Appell richtet sich nicht nur an die Arbeitgeber sondern genauso an die Politik – schließlich setze diese die politischen Rahmenbedingungen. Daher sei man froh, dass das Thema endlich mehr öffentliche Aufmerksamkeit beziehe. Die Bundestagsfraktion DIE LINKE hat mit ihrem Antrag „Grundrechte der Beschäftigten in Kirchen und kirchlichen Einrichtungen stärken“ einen wichtigen Beitrag dazu geleistet. Nach Einbringung des Antrages im Mai letzten Jahres erhielt die Debatte endlich Dynamik.

Im Herbst diesen Jahres debattiert der Deutsche Bundestag abschließend über den Antrag der Linksfraktion. Ich hoffe, dass sich die Abgeordneten stärker auf die Seite der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stellen und unserem Antrag zustimmen werden. Darüber hinaus wird sich DIE LINKE auch weiterhin für die Rechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen einsetzen und dabei nicht nur die Entwicklung im sozialen Sektor thematisieren, sondern auch eine Diskussion um den Stellenwert sozialer Arbeit einfordern. Dabei ist anzuerkennen, dass die beiden großen Kirchen in Deutschland mit ihren Einrichtungen eine tragende Säule im Sozial- und Gesundheitswesen sind. Zugleich geht es darum, die Kommunen in ihrer Verantwortung zur Sicherstellung der öffentlichen Daseinsvorsorge zu stärken. Kindergärten, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen werden zunehmend privatisiert. Dem wird sich DIE LINKE entgegenstellen und für die Rückgewinnung des Öffentlichen streiten.