Ideologische Beglückungsversuche

Raju Sharma

Für 99 neue Mitarbeiter im Bundesjustizamt gibt’s kein Geld – dafür aber für einen Verein, der die Marktwirtschaft ins Ausland exportieren hilft. Auch im Justizhaushalt spiegelt sich damit die ideologische Verbohrtheit der Regierung wieder, die sich gegen Notwendigkeiten und Vernunft immun zeigt.

Raju Sharma (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Im Verhältnis von FDP und Linken gibt es Punkte, die uns trennen, und solche, die uns verbinden, (Zuruf von der FDP: Wir sitzen beide im Bundestag!) es gibt Politikfelder, in denen wir möglicherweise größere Schnittmengen haben als die derzeitigen Partner in der Regierungskoalition.

Die Rechtspolitik ist tendenziell eines dieser Politikfelder. Deshalb haben wir Linke immer gesagt, dass wir bereit sind, die FDP in ihren Bemühungen um eine freiheitliche Rechtspolitik auch gegen ihren Koalitionspartner zu unterstützen. Wie notwendig das ist, hat meine Fraktionskollegin vorhin sehr anschaulich aufgezeigt. Tatsache ist auch, dass die Bundesjustizministerin in ihren Bemühungen um eine freiheitliche Rechtspolitik bisher oft genug den Kürzeren gegen Sicherheitsfanatiker wie Grosse-Brömer und all die anderen Law-and-Order-Politiker und die schwarzen Sheriffs von der Union gezogen hat. Leider gilt das auch für den Justizhaushalt. Seit Jahren können wir einen ständigen Aufgabenzuwachs und eine immer stärkere Arbeitsbelastung der Beschäftigten im Justizressort beobachten.

Der Bundesjustizministerin ist es dennoch nicht gelungen, diesen Aufgabenzuwachs mit einem angemessenen Personalzuwachs zu begleiten. Das ist den ohnehin stark belasteten Beschäftigten in der Justiz nicht zuzumuten, und es tut auf Dauer auch der Aufgabenerledigung nicht gut. Ein Bereich, in dem der Haushaltsplan einen Personalzuwachs vorsieht, ist das Bundesjustizamt. Hier sollen 99 neue Stellen für Mitarbeiter geschaffen werden, die sich um die Beitreibung von im europäischen Ausland verhängten Bußgeldern kümmern sollen. Dass so etwas jetzt überhaupt möglich wird, ist sicher ärgerlich für manchen Urlaubsraser, der bisher ungeschoren davongekommen ist. Im Hinblick auf die notorisch klammen öffentlichen Kassen ist es aber vielleicht nicht falsch.

(Zuruf des Abg. Florian Toncar [FDP]) – Darauf komme ich gleich zu sprechen. Doch während es in jeder Kommune eine Selbstverständlichkeit ist, dass die eingetriebenen Bußgelder zunächst genutzt werden, um die Kosten für die zu diesem Zweck eingesetzten Ordnungshüter und Politessen zu finanzieren, gilt das für den Bundeshaushalt erstaunlicherweise nicht.

(Christine Lambrecht [SPD]: Das stimmt auch für den Kommunalhaushalt nicht!) Was jeder schwäbischen Hausfrau einleuchtet, gilt beim Umgang mit dem schwäbischen Chefhaushälter offenbar nicht. Frau Leutheusser-Schnarrenberger bezahlt das Personal, und Herr Schäuble kassiert die Einnahmen. Herr Kollege Toncar, dass ausgerechnet Sie die Einsparung im Justizhaushalt vorhin als positiv hervorgehoben haben, finde ich tatsächlich bemerkenswert. Bisher bin ich davon ausgegangen: Wir müssen Ihre Justizministerin vor den Kollegen der CDU/CSU schützen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nein!) Jetzt merke ich, dass man sie vielleicht auch vor ihren eigenen Parteifreunden in Schutz nehmen muss. (Beifall bei der LINKEN – Florian Toncar [FDP]: Sie haben da etwas falsch verstanden!) Wenn wir heute über den Haushalt reden, können Sie von der Opposition mit Recht erwarten, dass wir nicht nur die Regierung kritisieren – dazu gibt es ja, wie wir alle gesehen haben, reichlich Grund –, sondern dass wir auch konstruktive Vorschläge für mögliche Einsparungen machen. Da ich nicht nur Mitglied des Rechtsausschusses, sondern auch religionspolitischer Sprecher meiner Fraktion bin, bietet es sich an, dass ich Ihnen einen Einsparvorschlag unterbreite, der gleich beide Bereiche betrifft. Sparen Sie eine Norm im Strafgesetzbuch ein! Streichen Sie den „Gotteslästerungsparagrafen“ 166 StGB und ersparen Sie uns eine unnötig lange Debatte darüber! Nach den Aussagen der meisten Fraktionen vor einigen Monaten müsste in diesem Haus eigentlich ein breiter Konsens darüber bestehen, dass dieser Paragraf nicht nur veraltet und überflüssig ist, sondern in seiner praktischen, höchst einseitigen Handhabung das Zusammenleben der verschiedenen Religionen unnötig belastet. (Beifall bei der LINKEN)

Wir werden Ihnen in den nächsten Wochen einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Dann können Sie alle Farbe bekennen und zeigen, wie ernst Sie es mit den Werten „Toleranz“, „Meinungsfreiheit“ und „Gleichbehandlung der Religionsgemeinschaften“ meinen. Wenn wir schon einmal dabei sind, könnten wir auch gleich über das Thema Staatsleistung reden. Dafür gibt es in einer gesonderten Debatte aber vielleicht mehr Zeit; denn dabei geht es um wesentlich mehr als nur ums Geld, nämlich darum, wie es in unserem Land um eine konsequente Trennung von Staat und Religion bestellt ist. (Beifall bei der LINKEN)

Offensichtlich fällt es der Bundesregierung ohnehin schwer, staatliche von eindeutig nichtstaatlichen Aufgaben zu trennen. Anders lässt sich jedenfalls nicht erklären, warum die Banken und die Versicherungswirtschaft bei der Akquise neuer Märkte mit knapp 4 Millionen Euro Steuergeldern unterstützt werden sollen. Auch darum geht es der Deutschen Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit, die von der Regierung so großzügig bedacht wird. Zweck des Vereins ist laut Satzung insbesondere die Unterstützung ausländischer Staaten beim Übergang von der Planwirtschaft in die soziale Marktwirtschaft.

(Florian Toncar [FDP]: Ja, genau das machen wir!) Kein Wunder, dass sich unter den Stiftungsmitgliedern die Bundesverbände der deutschen Banken, der deutschen Industrie und der deutschen Versicherungswirtschaft finden! Deren Interesse in allen Ehren, aber was haben Mittel für diesen Verein im Bundeshaushalt zu suchen? Ich finde auch in diesem Punkt den missionarischen Eifer der Bundesregierung völlig unangemessen. Niemand bestreitet Ihnen das Recht, an die Vorzüge eines bestimmten Wirtschaftssystems zu glauben – glauben Sie, was Sie wollen –; aber verschonen Sie bitte den Rest der Welt mit Ihren ideologischen Beglückungsversuchen! Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN)